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Weinstein – Klostein – Bordstein

Feministischer Zwischenruf

Drei Überlegungen zu den aktuellen Vorfällen sexualisierter Gewalt und zur Medienberichterstattung über Harvey Weinstein, Hollywood und #Metoo. Kweek. Der queere Zwischenruf!

Weinstein

Lassen Sie sich das mal auf der Zunge zergehen: das Aus von Harvey Weinstein ist das Ende aller sexistischen und gewalttätigen Hollywood-Mogule  - ernsthaft? Dabei sorgt die Wahl von Donald Trump dafür, dass die Rape-Culture und das Pussy-Grabschen weiterhin gepflegt werden können. Lohnt es sich eigentlich, auf dieser ‚neuen’ Aufmerksamkeitswelle mit zu schwimmen? Das frage ich mich dieser Tage immer wieder. Wie lässt sich der „Fall“ Weinstein einordnen, wenn wir uns nicht darauf einlassen, davon überrascht zu sein, dass sexuelle Gewalt und Sexismus die Gesellschaften weltweit strukturieren? Geht es nicht um ganz andere Sachen, zum Beispiel die alte Rivalität zwischen Washington und Hollywood? Wird das sich sonst für seine Liberalität zelebrierende Hollywood zum Sündenbock deklariert, damit Washington nicht mehr als sexistischer Sumpf erscheint? Versucht sich Hollywood als Sündenpfuhl zu geißeln, um sich letzten Endes doch wieder als moralisches Vorbild ins Gespräch zu bringen? Warum frage ich mich solche Sachen, statt mich dem Schmerz der Frauen* zuzuwenden?

Katrin Köppert ist Queer-Medien-Affekt-Theoretikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der UdK Berlin. Zuvor lehrte sie an der Kunstuniversität Linz. Studium der Gender Studies und Neueren deutschen Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Offensichtlich habe ich keine Lust, mich von der Inszenierung des Empört-Seins einwickeln zu lassen. Als Frau*, die von Sexismus und Homophobie im Alltag betroffen ist, empfinde ich dieses feuilletonistische Empören als eine Verdoppelung der Gewalt: Nicht nur, dass mit der Empörung das bisherige Schweigen umso lauter wird. Es tritt zudem eine Art Skandalisierung ein, die nach ‚mehr Futter’ verlangt – nach mehr und möglichst berühmten Frauen, die von ihren Erfahrungen berichten; nach mehr namhaften Kollaborateur*innen, die sich beschämt und gleichzeitig geläutert bekennen. Die Thematisierung von Sexismus innerhalb des Systems „Presse“ verkommt zum Skandal, also zu einem Aufsehen erregenden Ärgernis. Sexismus als Ärgernis? Nein, danke. Ein solch euphemistisches Framing dient dazu, all die Faktoren zu verschleiern, die dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft sexualisierte Gewalt nicht ernst nimmt.

Klostein

Die ganze Debatte läuft Gefahr zum Klostein zu werden. Wieder steht zu befürchten, dass nach dem #Aufschrei die Spülung geht, sodass sich all der Mist, der am Klostein klebt, aus dem Bewusstsein derer wäscht, die nicht jeden Tag mit sexualisierter Gewalt konfrontiert sind. Klar wäre es zu kurz gegriffen, ‚die Medien’ in die Verantwortung zu ziehen. Aber nicht jedes Thema ist ein Medienhype. Nicht jedes Thema braucht einen Fotostream, der, um durchzuexerzieren, welche Schauspielerinnen wie betroffen waren, die Logik der sexualisierten Bildsprache reproduziert. Wenn wieder nur Frauen* als Opfer überproportional ins Bild gesetzt werden, wird an Muster angeknüpft, die das Ansinnen, Sexismus zu kritisieren, torpedieren. Ein solches Muster ist die Frau als ‚schöne Leiche’, das heißt die noch im Tod oder Opfersein an Normen ausgerichtete Weiblichkeit (vgl. Bronfen 1999).

Nicht gerade begünstigend kommt hinzu, wenn der von Frauen* getragene Hashtag #metoo bei kurzer Bildrecherche auch zu folgendem Ergebnis führt: Girl Bunny Plush Toys. Die Frau als Bunny kennen wir ja leider auch zu gut. Aber gut, die Verknüpfung ist wohl eher Zufall, als Muster, oder doch nicht?

Ein Metoo Hase

Mein Plädoyer lautet nicht, nicht zu berichten. Das ist keine Frage. Es braucht einen öffentlichen Diskurs. Aber eben einen Diskurs. Und damit meine ich nicht nur Diskurs im Sinne einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung, sondern einen im poststrukturalistischen Verständnis. Das heißt, dass es eine Auseinandersetzung braucht, die sich die Folgen der in ihr verhandelten Äußerungen vor Augen hält und die mitreflektiert, von wem was in welcher Form gesagt wird. Wieso berichten zum Beispiel auffällig viele Männer* in den konservativen Zeitungen? Wieso kommt die kollektive Gegenwehr der Frauen* als Hashtag? Wie interpretieren wir, dass die Bildredaktion von Spiegel Online ausgerechnet beim Artikel zu Heidi Klum eine Fotografie auswählt, in der mir fast entblößte Brüste entgegenspringen?

Bordstein

Ein Narrativ, das im Rahmen der Berichterstattung auffällt, ist das der Prostitution. Welt N24 erzählt uns eine Geschichte aus Hollywood: Harry Cohn soll Katharine Hepburn aufgefordert haben, ihre rote Haarfarbe zu ändern: „Sie sehen wie eine Hure aus!“ Worauf sie geantwortet habe: „Wenn jemand weiß, wie eine Hure aussieht, dann Sie!“. Die Geschichte erzählt von der ‚hohen Kunst’ der Männer, Frauen* als Huren zu stigmatisieren, um davon abzulenken, dass sie selbst der Grund sind, warum es Prostitution gibt. Diese Scheinheiligkeit ist so alt (Jungfrau Maria/Maria Magdalena, Heilige/Hure) und für strukturellen Sexismus so grundlegend, dass einem schlecht wird. Im Falle Weinsteins – so wiederholt es sich in den Schilderungen – hat sich die Geschichte, gedreht. Sie lautet folgendermaßen: „Sie sehen aus wie eine Heilige! Wunderbar, ich mache aus Ihnen eine Hure!“ Indem den Frauen nahegelegt wurde, ohne  ‚Zugeständnisse’ keine Karriere machen zu können, wurden sie zu Sexarbeiterinnen gemacht, zu Komplizinnen, deren Schauspielkarrieren das Schweigegeld darstellten. Es wurden Strukturen aufgebaut, in den sich Filmproduzenten wie Zuhälter benehmen können. Aber da erzähle ich nun auch weder etwas Neues, noch Verblüffendes.

Übrigens: Die von sexueller und zu Tode führender Gewalt statistisch am häufigsten Betroffenen sind Trans*frauen. Ihrer können wir am Internationalen Transgender Day of Remembrance am 20.11.2017 gedenken.